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Die Umsetzung dieser neuhumanistischen Ausdeutung soll in Edelstahl verkup-

fert erfolgen. Der Schild glänzte und gleißte hellgelb im Licht, heißt es im 19.

Gesang der „Ilias“. Der mittlere Teil des Schildes weist eine runde Vertiefung auf.

Diese wird durch Sicherheitsglas geschützt, das den Blick auf eine darunter lie-

gende historische Schildverzierung freigibt. In die Oberfläche wird die holistische

Schildabstraktion eingearbeitet. Die Sitzgelegenheiten um den Tisch werden mit

6 dreibeinigen Edelstahlhockern realisiert. Diese Objektinstallation eröffnet dem

Besucher einen weiteren Zugang zur Antikebegeisterung der Voß-Zeit. In den ver-

eint gegen Troia ziehenden Griechenstämmen erblickte man den Zusammenhalt

einer Nation, die den Deutschen in ihrer Geschichte lange fehlte. Hegel hatte zum

Objekt des Epos das Geschehen einer Handlung erklärt, „die in ihrer ganzen Breite

der Umstände und Verhältnisse als reiche Begebenheit im Zusammenhange mit

einer in sich totalen Welt einer Nation und Zeit zur Anschauung gelangen muß“.

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Als stimulierend erwies sich zudem die Vorstellung einer bei den Alten vorhande-

nen und bei den Neueren verlorenen Ganzheit. Totalität gehörte zur Physiognomie

der griechischen Epoche: „[…] auch in der Iliade wo der Schauplatz der Thaten,

der Natur des Gegenstandes gemäß, beschränkt sein mußte, inmitten des kriege-

rischen Kampfes Szenen des Friedens wenig Platz finden konnten, hat Homer z.

B. kunstvoll das ganze Rund der Erde und des menschlichen Lebens, Hochzeiten,

gerichtliche Handlungen, Ackerbau, Herden usw., Privatkriege der Städte gegen-

einander mit bewunderungswürdiger Anschauung angebracht auf dem Schilde

des Achill […]“, lobte Hegel.

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Die Antike erschien ordnend, Gestalt gebend, ber-

gend, während die Moderne verglichen damit als bedrohlich, zerbrechlich und Be-

haustheit versagend erschien. Als ein Aspekt der Ausstellung bietet der Schild des

Achill pädagogische Möglichkeiten, insofern die Totalitätsvorstellung des Neuhu-

manismus an ihm nachvollzogen werden kann und er zeichnerische Bedürfnisse

weckt.

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Denken wir auch hier noch einmal an den touristischen Zufallsbesucher.

Sicher lassen unsere Gegenstände immer eine Steigerung oder Vertiefung zu. Eine

Aufnahme des Schildes ist natürlich auch ohne Kenntnis Hegels und der Urteile

ausgewiesener Altertumsexperten gegeben. Gegensätze erscheinen ausgewogen

ins Verhältnis gesetzt. Sonne, Mond, Sterne und Ozean erscheinen nicht unru-

hig, beliebig und unbegrenzt. Sie sind regelmäßig sich bewegende Körper und

bilden daher eine stabile Form der Materie. In der Symmetrie kommen seit jeher

mythische oder gesellschaftliche Ordnungsideale zum Ausdruck, die oftmals zu

Schönheitsidealen erklärt werden. Symmetrie dient der Bewältigung von Natur

und Sein.

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Georg Wilhelm Hegel: Ästhetik, hg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt a.

Main 1970, S. 330.

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Ebd., S. 344.

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Siehe die von Andrea Rudolph beschrieben Schulprojekte.