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Wir bieten auch hier Kontrastfelder. Wir inszenieren die Spannung zwischen

Vossens wachträumender Homer-Apotheose und Vossens Homerischer Weltta-

fel (Ausgabe der Odyssee 1781), von uns großformatig geboten. Diese bezeugt

Vossens Interesse am geographischen Realitätsgehalt der Rückreise des Odysseus

nach Ithaka. Die Komposition setzt Vossens historische Kippstellung zwischen

normativem Klassizismus einerseits und Historismus andererseits ins Bild. Be-

handelt Voß zum einen Homer (und auch den Hexameter) als überzeitliche Norm,

er hält gegen Friedrich August Wolfs „Prologomena ad Homerum“ (1795) an der

Existenz und Einheit Homers als Person fest,

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untersucht er zum anderen Realien,

Sitten, Weltkunde und Götterlehre der Alten als zeitbedingte Erscheinungen. Ge-

schichtliches Denken einerseits und normativer Klassizismus andererseits gehen

bei Voß eine Synthese ein. Die „Homerische Welttafel“ nach J. H. Voß zeigt, wie

Homer sich den Verlauf der Irrfahrt des Odysseus vorgestellt haben soll. Voß hatte

die homerische Welt kartiert, indem er die normale Landkarte des Mittelmeers

stark verzerrte. „Aeolia“ zeichnete er zweimal, vor der Küste Afrikas und süd-

lich von Sizilien „schwimmend“, ein. Seine Rekonstruktion der Fahrtroute beein-

flusste eine Reihe ähnlicher, mehr oder weniger abgewandelter Phantasiekarten.

Vossens Karte unterlegen wir utopieblau. Die Karte der Brüder Arnim und Hans-

Helmut Wolf bieten wir nüchtern-fachlich. Diese suchten im 20. Jh. eine geogra-

phische Stimmigkeit der Heimkehrerzählungen des Odysseus herauszustellen.

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Sie zeichneten diese Karte und formulierten die These, die Griechen hätten ihre

Mythen mitgenommen, als sie um 750 v. Chr. zur Gewinnung von Siedlungsland

und zum Zwecke des Handels Kolonien bildeten – in Sizilien, Süditalien, Nor-

dafrika. Es sei zur Umlokalisierung alter Legenden im Zuge der Westkolonisation

gekommen. Homer verknüpfte mythische Motive mit örtlichen Besonderheiten

des neu entstandenen Groß-Griechenland. Wir realisieren, dass der Besucher ein-

zelne Irrfahrtstationen auf einer Leiste anklicken kann und dann auf der Karte

aufleuchten sieht.

Noch eine Anmerkung zur Installation: John Flaxman lenkte mit seinen Zeichnun-

gen den Blick auf die Gattenliebe, auf die Treue der Penelope. Wir planen mit Un-

terstützung des Pergamonmuseums die Kopie einer hellenistischen Kopfplastik,

die - sehnend der Karte zugewandt – aufgestellt werden soll.

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Er benötigt Homer als den „Einen Allgewaltigen“ (siehe Vossens Brief an F.A. Wolf, in: Briefe

von J.H. Voß, hg. von Abraham Voß, Halberstadt 1829, S. 248), S. 153), Siehe hierzu: Marion

Marquardt: Johann Heinrich Voß – ein Bürger ohne Republik. In: Andrea Rudolph (Hg.): Johann

Heinrich Voß. Kulturräume, S. 1-18, hier S. 31f.

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Siehe Armin Wolf: Homers Reise. Auf den Spuren des Odysseus. Völlig überarbeitete Neuausgabe,

Köln, Weimar, Wien 2009.